Amazon Selling Trends 2024: Do’s & Don’ts für Onlinehändler
Jahr für Jahr beschäftigt sich die Onlinehändler-Community zum Jahreswechsel mit den aktuellen Trends und Entwicklungen auf Amazon und im E-Commerce. Doch dieses Jahr ist es besonders spannend. Die gerade stattfindende KI-Revolution hat schon jetzt enorme Auswirkungen auf den Versandhandel und 2024 dürfen sich Marktplatz-Verkäufer auf viele Neuerungen freuen, die ihren Arbeitsalltag nachhaltig verändern werden.
Zwar hat die Künstliche Intelligenz die Diskussionen im vergangenen Jahr maßgeblich bestimmt, aber auch in anderen Bereichen bahnen sich Veränderungen an, die Amazon-Händler lieber nicht verpassen sollten. Nischenmärkte, Social Commerce, neue Werbeformate und Ultrafast Delivery haben vielleicht nicht den ganz großen gesellschaftlichen Impact, spielen jedoch für die Kundengewinnung und -erfahrung eine wichtige Rolle.
Trends im E-Commerce: 2024 wird extrem spannend
Auch 2024 kündigen sich einige E-Commerce-Trends an. Lassen Sie uns in die Zukunft blicken und einige Best Practices für Onlinehändler aufstellen, um 2024 zu einem erfolgreichen Jahr zu machen.
#1 Micro Brands und Nischenmärkte
Den hohen Konkurrenzdruck auf Amazon haben nicht nur wir bereits zur Genüge beschrieben. Als Plattform funktioniert der Marktplatz extrem gut und hat weltweit Hunderte Millionen Kunden – was wiederum eine große Anzahl an Herstellern, Markeninhabern und Retailern anzieht. In den letzten Jahren hat der starke Wettbewerb zunehmend dafür gesorgt, dass sich Verkäufer von Handelsware hin zu Private Labels orientiert haben. Viele Händler, die mit Handelsware gestartet sind, haben sich mittlerweile ein gut diversifiziertes Portfolio aufgebaut, das sowohl eigene Brands als auch Handelsware beinhaltet.
Im kommenden Jahr 2024 erwarten viele Experten eine Fortsetzung dieser Entwicklung. Zunehmend werden sich Händler hin zu Nischenmärkten orientieren, in denen (noch) kein so großer Konkurrenzdruck herrscht wie in bereits etablierten Märkten. Das kann einige Vorteile haben:
Marktplatz-Verkäufer sollten jedoch nicht unüberlegt auf diesen Zug aufspringen. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier nicht Massenware, sondern ein hohes Maß an Wissen über die Kundenbedürfnisse der Zielgruppe und eine darauf ausgelegte Produktentwicklung. Je „nischiger“ die Nische, desto spezieller die Produktanforderungen.
Der Einzelhandel entdeckt Amazon
2024 wird außerdem das Jahr der Einzelhändler auf Amazon. Es ist noch nicht lange her, dass verschiedene Luxusmarken wie Dior oder Chanel offizielle Amazon-Stores eröffnet haben. Hinzu kommen die Bestrebungen der E-Commerce-Plattform, sich im Luxuseinzelhandel durchzusetzen. Hierzu wurden die „Luxury Stores“ eingeführt, die allerdings noch nicht so gut laufen, wie Amazon sich das vorstellt.
Dennoch: Erst einmal wird dieser Amazon-Trend vor allem die Big Player des Einzelhandels betreffen. In den kommenden Jahren wird sich dann herausstellen, ob sich das Geschäft rentiert und auch die breite Masse des Einzelhandels nachzieht. Interessanterweise profitieren hier die großen Einzelhandelsmarken von Amazons Logistiknetzwerk wie der kleine Startup-Händler.
Dem klassischen Onlinehändler dürfte diese Veränderung nicht besonders schmecken. Denn in bestimmten Segmenten wird der Wettbewerb härter, was zu steigenden Werbeausgaben führen dürfte. Daher ist es dieses Jahr besonders wichtig, die Lage im Blick zu behalten und die eigenen Prozesse und Listings zu optimieren – auch mit Hilfe von KI.
#2 Augmented und Virtual Reality, Künstliche Intelligenz
Es war das Top-Thema 2023 und auch 2024 wird uns das Thema VR, AR und KI beschäftigen. Die Entwicklungen haben hier mittlerweile ein derart hohes Tempo aufgenommen, dass es schwer ist, einigermaßen sichere Prognosen abzugeben. Fest steht aber, dass dieser Trend gekommen ist, um zu bleiben, und das Potenzial hat, den E-Commerce zu revolutionieren.
Listing-Optimierung mit Large Language Models und Co.
Die zielgruppengerechte Optimierung von Produkt-Listings auf Amazon ist eine Wissenschaft für sich. Was wie und wo auf der Produktdetailseite steht, ist nicht nur maßgeblich für die Conversion Rate und damit letztendlich für Umsatz und Gewinn, sondern beeinflusst auch viele weitere Aspekte eines Amazon-Geschäfts wie beispielsweise die Retourenquote oder die Anzahl an Kundenanfragen.
Mit der Einführung von Large Language Models wie ChatGPT hat sich das Erstellen solcher Listings für viele Händler nicht nur vereinfacht, sondern auch zeitlich verkürzt. Sofort sprossen Tools aus dem Boden, die auf Basis von ChatGPT, DALL-E oder Midjourney eine Benutzeroberfläche bieten, um Texte und Bildmaterial in Sekunden zu generieren.
Es steht außer Frage, ob Onlinehändler solche Tools nutzen sollten. Auf jeden Fall! Können solche Tools das menschliche Urteilsvermögen komplett ersetzen? Auf keinen Fall! Der generierte Content muss unbedingt kontrolliert und angepasst werden – auf der einen Seite, um ein wirklich gutes Ergebnis zu erzielen und nicht denselben halbgaren Mist zu produzieren wie alle anderen, und auf der anderen Seite, um rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden. ChatGPT und Co. können nur Ideengeber und Inspiration sein, aber niemals das Endergebnis bereitstellen.
KI-Tools für Bestandsmanagement, Kundenservice und personalisierte Einkaufserlebnisse
Was für Listings gilt, gilt auch für alle anderen Bereiche von Amazon und des E-Commerce. Künstliche Intelligenz wird alle Bereiche des Onlinehandels erreichen, aber insbesondere Tätigkeiten im Bestandsmanagement und Kundenservice sowie personalisierte Einkaufserlebnisse werden zunehmend durch KI ergänzt oder sogar ersetzt. Als Beispiel seien hier Chatbots genannt. Viele Kunden haben nicht besonders positive Assoziationen mit Bots im Support: Fehlendes Verständnis, repetitive Antworten oder wenig hilfreiche Auskünfte waren in der Vergangenheit keine Seltenheit.
Das wird sich 2024 ändern. Mit Large Language Models besteht erstmals die Möglichkeit, quasi-natürliche Interaktionen mit Chatbots zu führen und diese so zu trainieren, dass sie Routineaufgaben im Support selbständig klassifizieren und lösen können.
Diese Entlastung des Kundenservice wird Ressourcen freimachen, um individuell auf Kundenanfragen und -bedürfnisse einzugehen. Die finanziellen Mittel, um eigene Lösungen zu entwickeln, haben allerdings vor allem größere Händler, während kleinere eher auf „vorgefertigte“ Software Dritter setzen müssen.
Augmented und Virtual Reality
Das vielleicht größte Potenzial für den E-Commerce wird 2024 und in den kommenden Jahren Virtual und Augmented Reality haben. Hiermit könnte ein Problem weitgehend gelöst werden, das Online-Shopping immer vom stationären Handel unterschieden hat: Anfassen, Anprobieren und Interagieren.
Wie cool wäre es, wenn Kunden in Zukunft das Kleidungsstück in einem virtuellen Raum anprobieren könnten? Wenn die Vase hochgehoben, gedreht und gewendet und ganz genau betrachtet werden könnte? Wenn die Funktionen der Laufuhr schon mal am Handgelenk durchgeklickt werden könnten?
Noch klingt das wie Zukunftsmusik und Onlinehändler müssen nicht in Panik verfallen, weil sie noch nichts davon implementiert haben. Trotzdem sollte die Entwicklung in diesem Bereich im Auge behalten werden, um nicht hinter der Konkurrenz zurückzufallen.
Voice Commerce
Mit Siri begann es, mit Alexa endet es nicht. Die bisher ziemlich limitierten Anwendungsmöglichkeiten von sprechenden Assistenten werden sich 2024 voraussichtlich extrem erweitern. Auch hier öffnen Large Language Models die Tür zu einer ganz neuen Welt. Allerdings ist es aktuell noch schwer zu beurteilen, in welche Richtung sich Smart Speaker entwickeln werden und welche Schlüsse Händler daraus ziehen sollten.
In Zukunft könnten aber alltägliche Sprechweisen und Umgangssprache einen größeren Stellenwert einnehmen. Die Suchanfragen von Kunden, die klare Vorstellungen von einem Produkt haben, werden vermutlich detaillierter und länger werden, sodass Marktplatz-Verkäufer ihre Produktbeschreibungen und -darstellungen noch tiefergehend beschreiben sollten.
#3 Social Media und Influencer Marketing
Im Bereich Social Media und Influencer Marketing gibt es drei große Themen, die für Amazon-Händler 2024 wichtig werden: Social Commerce, Amazon Live und Amazon Inspire.
Social Commerce
Mit TikTok Shop hat Amazon einen Wettbewerber hinzugewonnen. Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft, daher dürfte es 2024 besonders spannend werden, mit welchen neuen und innovativen Features die beiden Plattformen sich gegenseitig pushen. Schon jetzt zeigt der Druck Wirkung: Amazon und Meta sind eine Partnerschaft eingegangen, die In-App-Käufe auf Facebook und Instagram ermöglicht. Mit Amazon Live hat der E-Commerce-Gigant schon vor einigen Jahren begonnen, Video und Bild stärker in den Vordergrund zu rücken, doch mit dem noch relativ neuen Amazon Inspire versucht die Versandplattform, einen eigenen Social-Commerce-Kanal zu etablieren.
Was sind Amazon Live und Amazon Inspire?
Amazon Live ist eine Plattform, auf der Produkte in Livestreams von echten Menschen vorgestellt werden. Sowohl Amazon als auch Influencer und Brands selbst können Videos produzieren. Zugleich gibt es eine Chatfunktion, um direkt mit potenziellen Kunden zu interagieren und beispielsweise Fragen zu beantworten. Auch Advertising, wie zum Beispiel Videos zu sponsern, ist möglich.
Amazon Inspire ist direkt in die Amazon App integriert. In einem Feed werden Produkte in Videos und Bildern vorgestellt und können durch einen einfachen Klick aufgerufen, Reviews angeschaut und zum Warenkorb hinzugefügt werden.
All diese Neuerungen zeigen, dass es in Zukunft zunehmend die Aufgabe von Marken sein wird, Verkaufsstrategien für Amazon-externe Kanäle, insbesondere für Social Media-Plattformen, zu entwickeln und umzusetzen.
Ende von Third-Party-Cookies
Es kündigt sich schon jahrelang an, doch jetzt scheint es ernst zu werden. Nachdem Apple bereits eine Funktion eingeführt hat, mit der Nutzer Drittanbieter-Cookies auf iPhones blockieren können, testet nun auch Google im Chrome-Browser entsprechende Features. 2024 wird es daher entscheidend sein, wie gut sich Händler auf diese Entwicklungen einstellen können, wenn sie beispielsweise Omnichannel-Kampagnen fahren. Die Messbarkeit und die daraus folgende Entscheidung, mehr in einen bestimmten Kanal zu investieren, müssen erst noch erprobt und implementiert werden.
First-Party-Daten – also Informationen, die Unternehmen direkt von den eigenen Kunden bzw. Benutzern gesammelt haben – werden dementsprechend an Bedeutung gewinnen. Für Amazon-Händler kann das auch eine Chance sein, denn sie haben Zugriff auf einen der größten Datensätze im E-Commerce. Strategische Partnerschaften wie die von Amazon und Meta zeigen nur, dass die Big Player der Branche beginnen, ihre Vorteile zu kombinieren. Diese neue Werbelandschaft muss aber erst erprobt werden – und zwar von jedem Onlinehändler für seine spezifische Situation. Was bisher als Upper Funnel betrachtet wurde, könnte daher in Zukunft an Bedeutung gewinnen und höhere Conversion Rates generieren.
#4 Werbung auf und mit Amazon
Das Ende von Cookies und die Entwicklungen von Social Commerce gehen Hand in Hand mit Umwälzungen im Amazon Advertising. Nicht nur werden 2024 neue Formate eingeführt, Händler müssen ihre Strategien und Kanäle auch grundlegend überdenken.
Prüfen, testen, experimentieren
Das geht natürlich zuerst einmal mit kurzfristigen Mehrausgaben einher. Wer aber nicht bereit ist, Einbußen für den langfristigen Erfolg in Kauf zu nehmen, dürfte langfristig auch das Nachsehen haben. Händler sollten sich daher überlegen, ob sie neben ihrem Marketingbudget einen weiteren Etat freigeben.
Diese finanziellen Mittel sollten gezielt für Tests und Experimente verwendet werden. Erst wenn neue Formate oder Kanäle eingehend geprüft wurden und sich als vielversprechend herausgestellt haben, können sie dann in die Werbestrategie integriert werden.
Sponsored TV Ads und Streaming TV-Platzierungen
In den letzten Jahren hat Amazon die eigene Advertising-Plattform sukzessive ausgebaut und professionalisiert, sowohl für Formate innerhalb als auch solche außerhalb des Amazon-Kosmos. Seit Oktober 2023 können beispielsweise Sponsored Product Ads bei Drittanbietern geschaltet werden, seit Ende 2023 wurden die Optionen im Streaming TV deutlich erweitert und in 2024 kommen Werbemöglichkeiten in Prime Video.
Für Händler sind das gute und schlechte Neuigkeiten. Auf der einen Seite erweitern sich ihre Möglichkeiten, Produkte vorzustellen, zu bewerben und zu verkaufen. Auf der anderen Seite führen Social Commerce, First-Party-Data und neue Werbeformate dazu, dass die Konkurrenz steigen wird. 2024 wird sich so gut wie jeder Werbetreibende fragen müssen, inwieweit die ausgefeilte Zielgruppensegmentierung innerhalb von DSP, die enorme Reichweite von Streaming und Fire TV und die Analysetools der Amazon Marketing Cloud ihre jeweilige Marke unterstützen können.
#5 Quick Commerce / Ultrafast Delivery
Quick Commerce, oder kurz Q-Commerce, verspricht die stunden- oder gar minutenschnelle Lieferung von Produkten. Online bestellt, schon geliefert. Bekannt ist dieser Trend vor allem aus dem Bereich Lebensmittel, Getränke und Haushaltswaren. In 2024 könnte sich dieser Trend auf den E-Commerce generell ausweiten. Jezz Bezos, Gründer von Amazon, sagte kürzlich:
„In unserem Einzelhandelsgeschäft wissen wir, dass die Kunden niedrige Preise wollen, und ich weiß, dass das auch in 10 Jahren noch so sein wird. Sie wollen eine schnelle Lieferung, sie wollen eine große Auswahl. Es ist unmöglich, sich eine Zukunft in 10 Jahren vorzustellen, in der ein Kunde zu uns kommt und sagt: […] ‘Ich liebe Amazon; ich wünschte nur, Sie würden etwas langsamer liefern.’ Unmöglich. Wir wissen also, dass die Energie, die wir heute in diese Dinge stecken, sich auch in 10 Jahren noch für unsere Kunden auszahlen wird. Wenn man etwas hat, von dem man weiß, dass es auch langfristig stimmt, kann man es sich leisten, eine Menge Energie darauf zu verwenden.“
Jeff Bezos
Amazon-Gründer
Die ultraschnelle Lieferung von weniger als einem Tag wird also auch in Zukunft ein Bestreben sein, dass Amazon umzusetzen gedenkt. Doch nicht nur der Kunde hat dadurch Vorteile: Je schneller eine Bestellung eintrifft, desto größer ist noch die Begeisterung und Freude über den Kauf und die Wahrscheinlichkeit einer Retoure sinkt.
Das dürfte vor allem FBM-Händler und Onlinehändler mit eigenem Shop vor Herausforderungen stellen. Sich mit der eigenen Logistik und begrenzten Ressourcen gegenüber Branchengrößen wie Amazon zu behaupten, ist dennoch ein Problem der nächsten Jahre. Hier sollte genau abgewägt werden, ob nicht zumindest einige schnelldrehende Produkte durch Amazon FBA von erhöhten Absatzzahlen profitieren können.
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