„Das ist alles nur geklaut, eo, eo“? Die Amazon-Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums
Wie sangen seinerseits schon Die Prinzen? „Das ist alles nur geklaut und gestohlen, nur gezogen und geraubt. / Entschuldigung, das hab ich mir erlaubt.“ Was in Kunst und Kultur vielleicht gerade noch so als intertextueller Bezug durchgeht, kann allerdings für Unternehmer und Händler weitreichende Folgen haben: Plagiate, Fälschungen, unerlaubte Markennutzung und solche Dinge sind kein Kavaliersdelikt. Im eigenen Onlineshop landen dann die Unterlassungserklärungen im Briefkasten. Aber auch Amazon hat Richtlinien, um Missbrauch geistigen Eigentums vorzubeugen.
Im schlimmsten Fall droht Händlern die vollständige Sperre bzw. Deaktivierung ihres Verkäuferkonto bzw. der Entzug der Verkaufsberechtigung mit all den wirtschaftlichen Folgen, die diese haben kann. Die allgemeine Verkäuferleistung ist dann irrelevant, unabhängig davon, wie wie gut diese sein mag und wie gering etwa die Stornierungsrate oder die Zahl verspäteter Lieferungen ausfällt.Deswegen sollten Händler penibel darauf achten, geistige Eigentumsrechte nicht zu verletzen. Gerade Deutschland und die Europäische Union haben vergleichsweise strikte Schutzrechte – an die jeder Händler sich unbedingt halten sollte, um keine weitreichenden rechtlichen Konsequenzen befürchten zu müssen.
Dieser Beitrag beschäftigt sich jedoch nicht mit den nationalen oder internationalen Gesetzeslagen, sondern explizit mit den Amazon-Richtlinien bezüglich geistigen Eigentums, der Markenrechte und der Produktpiraterie.
Eine Rechtsberatung kann immer nur ein fachkundiger Rechtsanwalt vornehmen! Wenden Sie sich im Zweifel unbedingt an einen solchen.
Warum ist es Amazon wichtig, geistiges Eigentum zu schützen?
Amazon selbst tritt in zwei Funktionen auf: Erstens als Verkäufer von (eigenen) Waren, zweitens als Plattform, die es wiederum Dritten ermöglicht, Produkte zu handeln. Als Verkäufer muss sich Amazon selbstverständlich ebenfalls an das jeweilige nationale Urheberrecht halten. Könnte es dem Onlineriesen als Plattform aber nicht egal sein, wenn ein Händler eine Urheberrechtsverletzung begeht?
Tatsächlich ist unklar, inwieweit die Einhaltung der Amazon-Richtlinien geistigen Eigentums aus eigenem Antrieb heraus kontrolliert und durchgesetzt wird. Gerade europäische Händler haben häufig den Eindruck, dass gegen Fälschungen von Markenprodukten oder anderen Missbrauch des Urheberrechts nicht häufig genug vorgegangen wird, etwa bei zweifelhaften Angeboten aus dem asiatischen Raum.
Tatsache ist aber auch, dass Amazon selbst ein berechtigtes Interesse daran hat, dass das Urheberrecht auf den Marktplätzen eingehalten wird und die Echtheit von Artikeln gewährleistet ist. Denn der Anspruch des Konzerns ist immer, die perfekte Costumer Journey zu bieten – erhält der Kunde statt des Originalproduktes hingegen einen gefälschten Artikel, führt das zu Frust und Enttäuschung, was wiederum Retouren und Zahlungsrückforderungen begünstigt. Außerdem wird ein solcher Kunde das nächste Mal vielleicht bei der Konkurrenz bestellen, wodurch dem E-Commerce-Giganten Einnahmen verloren gehen, zumindest in Form von Verkaufsgebühren. Dabei ist es egal, ob es sich um Handelsware oder Private Labels dreht.
Ein weiterer Effekt ist, dass sich die eigentlichen Rechteinhaber ebenfalls darum bemühen, eine Verletzung ihrer Markenrechte zu verhindern. Nicht nur können Markeninhaber die Verletzung ihres Urheberrechts direkt anzeigen, sie werden auch Amazon kontaktieren, die Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums durchzusetzen und missbräuchliche Angebote wie gefälscshte Ware zu löschen.
Was ist geistiges Eigentum bei Amazon?
Grundsätzlich sind der Onlineriese selbst und etwaige Händler an die geltenden Gesetze des jeweiligen Landes oder Wirtschaftsraumes gebunden, in dem die Waren zum Verkauf angeboten werden. Ein Händler, der auf dem deutschen Marktplatz verkauft, muss also die deutsche Rechtslage kennen und beachten. Bei Mitgliedern der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), wozu auch Island, Norwegen und Liechtenstein gehören, spielen außerdem die europäischen Gesetze eine Rolle.
Daran orientieren sich auch die Amazon-Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums. Maßgeblich ist immer das geltende Urheberrecht und verwandte Rechtsvorschriften wie etwa das Patentrecht. Amazon gliedert seine Richtlinien in verschiedene Abschnitte:
Im Folgenden schauen wir uns die Bereiche detailliert an und klären, welche Auswirkungen die Amazon-Richtlinien bezüglich geistigen Eigentums für Sie als Händler haben und was sie unternehmen können, wenn Sie bezichtigt werden, einen Verstoß gegen diese Richtlinien begangen zu haben.
Das Urheberrecht bei Amazon
Kennzeichnend für das Urheberrecht ist, dass es dazu keiner formalen Registrierung oder ähnlichem Aktivwerden seitens des Rechteinhabers bedarf – anders als beispielsweise im Patentrecht. In aller Regel hält der Schöpfer eines Werkes wie eines Bildes oder Romanes die Urheberrechte daran; dieser besitzt dann die alleinigen Verwertungsrechte.
Das Urheberrecht bezieht sich auf Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst (§ 2 UrhG), in einigen EU-Staaten aber auch auf gewerbliche Muster und Designs (u. a. in Deutschland). Es ist dementsprechend verboten, nicht-autorisierte Kopien zu verkaufen, geschützte Originalwerke ohne Genehmigung zu verwenden oder solche Ware in den EWR zu importieren.
Daher ist die Amazon-Richtlinie zum Schutz geistigen Eigentums auch für Produktbilder relevant, die ebenfalls urheberrechtlich geschützt sein können. Selbst wenn Verkäufer befugt sind, ein Markenprodukt zu verkaufen, heißt das nicht, dass sie auf der Produktdetailseite einfach die Artikelfotos anderer Händler einstellen können. Bilder, die durch den Verkäufer selbst gemacht wurden, dürfen hingegen genutzt werden, denn daran besitzen sie als Urheber die nötigen Rechte.
Woher weiß ich, ob ich ein Produkt laut Urheberrecht verkaufen darf?
Es gibt verschiedene Szenarien, die dazu führen, dass Händler ein geschütztes Produkt – zum Beispiel ein Buch – verkaufen dürfen. Diese beleuchtet Amazon in den Richtlinien geistigen Eigentums auch:
Achtung! Der Erschöpfungsgrundsatz umfasst in Europa importierte Artikel nur dann, wenn diese zuvor rechtmäßig in den EWR eingeführt oder dort verkauft wurden, das heißt durch den Rechteinhaber oder mit dessen Einverständnis von einer autorisierten Person. Händler sollten deshalb unbedingt auf die Seriosität ihrer Sourcing-Quelle achten, um Parallelimporte zu verhindern!
Das Markenrecht bei Amazon
Ebenfalls ausführlich behandelt Amazon in seinen Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums das Thema Markenrechtsverletzung und allgemein Marken. Diese sind in aller Regel geschützt und dürfen von anderen nicht einfach so genutzt werden.
Anders als beim Urheberrecht müssen Marken jedoch normalerweise registriert werden, um gegen eine unautorisierte Verwendung geschützt zu sein. In Deutschland ist die zuständige Stelle das DPMA, auf europäischer Ebene das EUIPO.
Wichtig zu wissen ist dabei: Markenschutz ist immer gebietsbezogen. Wer seine Marke beim DPMA registriert hat, kann nicht erwarten, auch in China gegen eine nicht gestattete Nutzung vorgehen zu können. Der Schutz bezieht sich dabei auf die unbefugte Verwendung der Marke, vor allem wenn dadurch Kunden getäuscht werden, beispielsweise in Bezug darauf, wer Waren anbietet bzw. wer mit diesen in Verbindung steht.
Marken dürfen unter bestimmten Voraussetzungen gehandelt werden
Auch registrierte, geschützte Markenprodukte dürfen von Dritten gehandelt werden – wenn gewisse Vorgaben gewährleistet sind. Auf der anderen Seite kann ein Markeninhaber auch die Verwendung seiner Marke untersagen. Die Amazon-Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums kennen dahingehend verschiedene Fälle:
Die gute Nachricht für alle Amazon-Händler: Das heißt nicht, dass Markenprodukte grundsätzlich nicht verkauft werden dürfen. Wer sich an gewisse Bestimmungen hält, kann durchaus auf Amazon Markenware anbieten, auch wenn er selbst nicht der Markeninhaber ist. Dazu muss es sich
Wer beispielsweise Rucksäcke von Deuter verkaufen will, kann dies auf Amazon laut den Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums tun, sofern die Waren tatsächlich originale Rucksäcke der Marke Deuter sind und unter dem Markennamen Deuter angeboten werden.
Ähnlichkeit versus Kompatibilität
Ebenso ist es normalerweise zulässig, eine Marke zu nennen, um beispielsweise die Kompatibilität eines Nicht-Markenproduktes darzustellen. Wer Handyhüllen verkauft, kann so darüber informieren, dass diese auch für Modelle der Marken Samsung, Apple oder Huawei passen.
Es ist allerdings nicht erlaubt, eine Ähnlichkeit herzustellen! Um beim Beispiel Handyhüllen zu bleiben: Es ist verboten zu schreiben, die Handyhülle sei so ähnlich wie die von Huawei oder gar besser als solche von Samsung.
Um zu entscheiden, ob ein Produkt auf Amazon verkauft werden darf, sollten sich Händler fragen,
Patente, Gebrauchsmuster und Designs
Neben Urheber- und Markenrecht nennt Amazon in seinen Richtlinien geistigen Eigentums außerdem noch Patente, Gebrauchsmuster und Designs. Alle drei Schutzformen sind wie Markenrechte gebietsbezogen.
Die beiden ersteren zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht eine kreative Arbeit schützen, sondern eine bestimmte Erfindung für einen bestimmten Zeitraum. Der Erfinder erlangt durch ein Patent das Recht, die Herstellung und Verwendung, den Verkauf und auch den Import zu untersagen. Dasselbe gilt für Gebrauchsmuster, allerdings sind die Hürden zur Erlangung geringer und der Rechtsschutz weniger umfassend.
Ein Design bezieht sich dagegen lediglich auf das Aussehen eines Produktes. Es gibt die Möglichkeit, ein Design zu registrieren, was einen unbegrenzten Schutz gewährt. Aber auch nicht registrierte Designs können für drei Jahre geschützt sein.
Ist ein Produkt durch ein Patent oder Gebrauchsmuster bzw. ein Design geschützt, so kann der Verkauf auf Amazon verboten sein, wenn der Händler nicht entsprechende Rechte genießt. Bevor ein Angebot eingestellt wird, sollte ausgeschlossen sein, dass es sich dabei um einen „Diebstahl“ geistigen Eigentums handelt.
Welche Konsequenzen kann ein Verstoß gegen die Richtlinien haben?
Wenn Sie Produkte, die gesetzlich besonders geschützt sind, unbefugt verkaufen, kann das für Sie erhebliche Folgen haben. Zum einen können daraus rechtliche Probleme erwachsen – von einfachen Abmahnungen bis hin zu hohen Schadenersatzforderungen und Haftstrafen. Zum anderen setzt auch Amazon selbst seine Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums auf dem Marketplace durch.
Wenn Amazon einen Hinweis erhält, dass ein Angebot einen Verstoß gegen die Richtlinien bzw. geltende Gesetze darstellt, wird es dieses Angebot normalerweise löschen und dem Händler per E-Mail einen Warnhinweis senden. Bei mehreren Verstößen können das auch mehrere Warnhinweise sein.
Außerdem behält sich der E-Commerce-Gigant vor, entsprechende FBA-Ware in seinen Lagern zu vernichten – selbstverständlich auf Kosten des betroffenen Verkäufers – und gegebenenfalls das Verkäuferkonto zu sperren. Die Bezahlung des Verkäufers durch Amazon wird zusätzlich zurückgehalten, bis der Kunde die bestellte Originalware erhalten hat.
Einspruch einlegen – Beweise erbringen
Doch auch Amazon macht Fehler – in den FBA-Lagern ebenso wie beispielsweise durch falsche Beschwerden von Rechteinhabern. Händler, die einen Warnhinweis erhalten, können auf diese E-Mail antworten und Einspruch einlegen, etwa wenn sie dieses Produkt niemals verkauft haben oder sie berechtigt sind, die Ware zu verkaufen.
In den Amazon-Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums weist der Konzern jedoch daraufhin, dass er in einem solchen Fall Beweise braucht: „Wenn Sie der Meinung sind, dass einem Rechteinhaber oder Amazon ein Fehler beim Entfernen Ihrer Produktangebote aufgrund einer Urheberrechtsverletzung unterlaufen ist, antworten Sie auf die Benachrichtigungs-E-Mail und geben Sie spezifische Gründe an, warum Sie der Meinung sind, dass ein Fehler aufgetreten ist. Stellen Sie gegebenenfalls eine Rechnung oder Bestellnummer zur Verfügung, die die Echtheit des Produkts beweist.“
Eine andere Möglichkeit ist, den ursprünglichen Rechteinhaber zu kontaktieren und ihn zu bitten, die Beschwerde zurückzuziehen.
Kontosperrung: Maßnahmenplan aufstellen
Schwieriger gestaltet sich die Lage, wenn bereits das oder die Konten des Händlers von einer Deaktivierung betroffen sind. In solchen Fällen verlangt Amazon normalerweise einen sogenannten Maßnahmenplan des Verkäufers, der verschiedene Informationen enthalten muss. Dazu gibt Amazon in den Richtlinien geistigen Eigentums an, die Gründe für den unrechtmäßigen Verkaufs erfahren zu wollen, ebenso welche Schritte der Händler unternimmt, um in Zukunft eine solche Rechtsverletzung zu verhindern.
Der Maßnahmenplan ist ein beliebtes Mittel Amazons, das auch in vielen anderen Fällen von Verstößen gegen die Regeln auf den Online-Marktplätzen durch den Konzern eingesetzt wird. Betroffene Händler sollten die Erstellung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Kommunikation mit Amazon ist nach wie vor schwierig und Lösungen sind dem Onlineriesen allemal lieber als Rechtfertigungen. Gegebenenfalls ist es auch eine Überlegung wert, sich an einen Profi wie etwa eine spezielle Agentur zu wenden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserem How-to: Wie erstelle ich einen Maßnahmenplan für Amazon?
Ausführliche Informationen zur Durchsetzung der Amazon-Richtlinien zum Schutz geistigen Eigentums finden Betroffene auch auf den Hilfeseiten im Seller Central.
Fazit: Schutzrechte sollten unbedingt beachtet werden!
Wie wir gesehen haben, kann eine Verletzung der Amazon-Richtlinien geistigen Eigentums schwere Konsequenzen haben. Nicht nur verteilt der E-Commerce-Riese Warnhinweise, sondern Produktangebote werden gelöscht, FBA-Artikel vernichtet und im Extremfall sogar die Verkaufsberechtigung unwiderruflich entzogen. Dabei spielt die allgemeine Verkäuferleistung keine Rolle mehr, egal wie gut diese sein mag und wie gering bspw. die Stornierungsrate oder die Zahl verspäteter Lieferungen auch sein sollte. Vor allem für Seller, die ihren Umsatz hauptsächlich über Amazon erwirtschaften, kommt eine Sperrung vom Verkäuferkonto einer Katastrophe gleich.
Auch abseits von Amazon kann eine Verletzung von Urheber- oder auch Markenrechten viel Geld und Nerven kosten, etwa in Form von Abmahnungen. Dem können Verkäufer durch eine gründliche Produktrecherche und präzises Formulieren auf der jeweiligen Produktdetailseite entgehen. Im Zweifel empfiehlt sich aber immer die Einschaltung eines Rechtsanwalts.
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